Berner Urgestein
Projekt-Story #01
Text: Rainer Brenner
Fotografie: Joëlle Lehmann
Vor den Toren der Stadt: das Steinlager im Werk Bethlehem.
Lokal bis in die Grundmauern: Die Fassade des Kaiserhauses wurde mit original Bernbieter Sandstein saniert. Wir folgten dem «Urgestein» vom Steinbruch bis in die Altstadt.
«Bei uns geht es gar nicht so laut zu und her, wie die Leute meinen», erklärt André Schär, während er durch den Steinbruch in Ostermundigen führt. Tatsächlich ziehen hier Maschinen ruhig ihren Weg durchs Gestein – ein beruhigendes, fast meditatives Geräusch. «Gäbe es davon eine CD, ich würde sie kaufen», lacht Schär. Hier haben alle Maschinen einen eigenen Namen, scheinen fast wie Teammitglieder. «Grosi» zum Beispiel ist schon seit den 1960ern dabei. «Trotz neuer Technologie, Software und 3D-Scannern ist in unserem Job noch immer viel Handarbeit gefragt», sagt Schär. «Zuerst wird das Feld freigelegt und die Fläche mit der Schrämmaschine ausgeschnitten. Dann wird der Boden abgetrennt, und die Blöcke werden zur Weiterverarbeitung ins Werk nach Bern Bethlehem gebracht». Dort schneidet der Säger sie in passende Tranchen, der Fräser formt sie, und der Steinmetz gibt ihnen den letzten Schliff – bevor das fertige Stück an der Baustelle passgenau in die Fassade des Kaiserhauses eingesetzt wird.
Unter der Erde: der Steinbruch Ostermundigen.
Formbar und weich: vielseitiger Berner Sandstein.
Geschichte spürbar machen
Auf dieser Baustelle treffen wir Stefan Schmid vom Architekturbüro Aebi & Vincent. Das Büro hat sich auf die Sanierung historischer Gebäude in und um Bern spezialisiert. «Die Idee von Sanierung hat sich grundlegend verändert», erklärt Schmid. «Früher versuchte man, alles neuartig erscheinen zu lassen. Aus moderner Sicht ist das überholt. Wichtiger ist es, dass man die Geschichte des Gebäudes spürt.» Das gilt auch für das Projekt Kaiserhaus: In den letzten zwölf Jahren wurde die Fassade Stück für Stück analysiert.
Wie auf der Baustelle – nur ruhiger.
Zwischen Steinbruch und Computer: Steinmetz André Schär.
Wenn ein Stein ersetzt werden musste, wurde er vermessen, skizziert und als Bestellung an André Schärs Team geschickt. «Richtig interessant waren die Bogenstücke: Diese mussten in Handarbeit angeordnet und ausgegossen werden, damit der Bogen passend zusammenhält – so wie im Mittelalter. «Das macht ein Steinmetz heutzutage nicht mehr oft, darum ist das für uns so spannend», finden Schär und Schmid.
Mehr als Fassade
«Wir Architekten haben eine Idee, wie es aussehen soll. Aber wie man das machbar umsetzt und vereinfachen kann, muss man immer zusammen mit dem Hersteller prüfen», sagt Schmid. Vier Jahre lang arbeiteten die Architekten mit dem Steinverarbeitungsbetrieb eng zusammen, jetzt stehen sie sichtlich zufrieden vor der fertigen Fassade. Bei der Frage nach einem Comeback des Berner Urgesteins sind sich die beiden aber uneinig. «Sandstein lässt sich gut verarbeiten, ist aber weich und porös. Abseits von Sanierungen sehe ich aber keine Zukunft», findet der Architekt. «Der Berner Sandstein wird gerne ein bisschen schlecht geredet», gibt Steinmetz André Schär zurück. «Wenn man ihn richtig verbaut und schützt, hält er aber sehr lange.» Zudem punktet das Material definitiv in Sachen Nachhaltigkeit und Regionalität. Damit sind die Mauern des Kaiserhauses ein handfestes Stück Berner Geschichte – und mehr als nur Fassade.
Vom Feuer zur Sandsteinstadt
Beim Berner Stadtbrand von 1405 wüteten die Flammen in der damals von Holzbauten geprägten Stadt Bern und zerstörten einen Grossteil der Gebäude. Per Ratsbeschluss wurde daraufhin die Verwendung von Steinfassaden vorgeschrieben. Das Material wurde in lokalen Steinbrüchen, damals noch im Gebiet des Bärengrabens, gewonnen. Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Berner Sandstein sogar vom lokalen Baumaterial zum Exportgut und für Bauten in der ganzen Schweiz verarbeitet, bis er zu Beginn des letzten Jahrhunderts zunehmend von neueren Materialien verdrängt wurde.
Heute wird er nur noch in kleinen Mengen in Spiegel am Gurten, Krauchthal und Ostermundigen abgebaut. Je nach Standort und Tiefe erscheint er gelblich, bläulich oder grünlich. Das weiche, porenreiche Material wird heute vor allem für Restaurierungen, im Ofenbau und für Bildhauerarbeiten verwendet. Für die Sanierung des Kaiserhauses wurden rund 20 Kubikmeter Sandstein verarbeitet.
Newsletter
Abonniere unseren Newsletter und bleibe in Kontakt mit dem Kaiserhaus.
Profitiere von Inspiration und Angeboten.