Mehl, Wasser, Leben
Gastro-Story #01
Text: Rainer Brenner
Fotografie: Joëlle Lehmann
Ist gutes Brot Geschmacksache? Nicht nur.
Wie viel Arbeit, welche Werte und Menschen hinter einem Nahrungsmittel stehen, ist heute kaum noch nachvollziehbar. Die Gastronomie im Kaiserhaus möchte diese Verbindung wiederherstellen. Wir beginnen mit einem guten Brot – und folgen dem Grundnahrungsmittel von der Mühle bis in die Backstube.
Am Anfang steht das Mehl. Und seine Spur führt ins Emmental, die einstige Kornkammer des Kantons Bern. Eine knappe Autostunde entfernt, zwischen Hügeln, Wiesen und alten Höfen, steht die Schwandener Mühle. Ein Holzhaus mit Geschichte. Hier verarbeitet Müller Simon Baumann mit seiner Familie Getreide aus der Region – auf fünf engen Etagen, mit Maschinen, die zum Teil noch aus den 1930er-Jahren stammen.
Mitten im grünen Emmental liegt die Schwandener Mühle.
Hier wird das Korn von Betrieben aus der Region angeliefert.
Simon war einst Schreiner, hat die Mühle 2016 übernommen und seither kaum mehr aufgehört, zu mahlen: Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste, Buchweizen, Linsen. Rund 360 Tonnen Korn von Landwirtschaften aus der Region werden hier übers Jahr hinweg verarbeitet.
Weniger ist mehr
Vor dem Haus kippt ein Traktor gerade Dinkel ab. Das Korn wandert durch die Putzerei, wird gewogen, von Steinen befreit und mehrfach gemahlen. Bis aus 100 Kilo Dinkel etwa 50 Kilo Mehl werden, durchläuft es das ganze Haus acht bis zwölf Mal.
Simon Baumann bei der Arbeit.
In der Holzmühle aus den 1830er-Jahren läuft heute noch vieles so gut wie früher.
Warum der Aufwand? «Wir arbeiten mit kleinen Mengen und schonenden Prozessen. Das erhält Vitamine und Mineralstoffe – und macht Zusatzstoffe überflüssig», erklärt Simon. Standardisiert sei das Mehl dadurch nicht. Dafür lebendiger: «Es reagiert je nach Ernte anders beim Backen. Das ist der natürliche Spielraum.»
Die Arbeit in der Mühle ist körperlich. Und klar sind die Tage länger als es sich lohnt. «Aber wenn man es mit Leidenschaft macht, dann reicht es zum Leben.»
Neue alte Werte
Aber wieso begeistert uns dieses Handwerk plötzlich wieder? Wieso stehen Städter für Sauerteigbrot Schlange, als wäre es die neuste Sensation? «Ich glaube, wir haben schlicht den Bezug verloren», sagt Severin Aegerter, Teil des Gastro-Teams im Kaiserhaus. «Zu den Produkten, den Produzierenden, zur Qualität.» Während seiner Kindheit im Simmental war herausragende Essqualität für ihn nie Luxus, sondern Alltag. Die Sauerteigbäckerei mit Holzofen der erweiterten Familie hat ihn geprägt.
«Durch Industrialisierung und Standardisierung verlor vieles seinen eigentlichen Wert. Und das ist nicht nur für die Konsumentinnen und Konsumenten enttäuschend, sondern auch für die Produzierenden: Sie freuen sich über Rückmeldungen und Inputs, sind stolz und zufrieden, wenn sie sehen, wie das eigene Produkt von anderen Menschen geschätzt wird. «Diese Wechselwirkung möchten wir ein Stück weit im Kaiserhaus wiederherstellen. Und damit vielleicht auch den Stadt-Land-Graben ein bisschen überwinden.»
Lebensfreundliche Umgebung
Wie aus dem gemahlenen Mehl ein Brot entsteht, erfahren wir in der Backstube Copain auf dem Areal der alten Feuerwehr Viktoria. Alles wirkt an diesem Morgen ruhig und entspannt. Aus dem Ofen duften Sauerteig-Croissants, in der Ecke ruht Brotteig in Behältern.
Kneten, ruhen lassen, formen und backen:
Bäcker Patrice.
Mehl, Wasser und Leben – mehr brauche es grundsätzlich nicht für ein gutes Sauerteigbrot, erklärt Bäcker Patrice Bachmann und zeigt auf ein kleines Einmachglas mit der «Mutter», einem über 30-jährigen Sauerteig, den er von einem befreundeten Gastronomen geerbt hat. Die darin enthaltenen Hefepilze und Milchsäurebakterien werden bei angenehmer Temperatur gehalten und regelmässig mit Mehl gefüttert.
Gegen die Zeit
Denn ein guter Sauerteig lebt, bis man ihn in den Ofen schiebt. «Das unterscheidet unser Sauerteigbrot von jenem aus dem Supermarkt: Die darin enthaltenen Kulturen sind oft schon nach kurzer Zeit tot, denn um sie richtig zu pflegen, fehlt den Grossbäckereien ganz einfach die Zeit.»
Damit der Sauerteig sich richtig entwickelt, lässt Patrice ihn viereinhalb Stunden ruhen – und dreht ihn in dieser Zeit immer wieder mit geübten Handgriffen um, damit sich ein gutes Klebegerüst bildet. Dann wird der Teig portioniert und rundgewirkt – also mit einem Scraper in runde Form gebracht. Danach wird der Teig abermals sorgfältig umgefaltet, bevor er im Gärkörbchen für mindestens 20 bis 44 Stunden im Kühlschrank verschwindet. Dieser Prozess nennt sich Teigführung. «Je länger der Teig geführt wurde, desto bekömmlicher, aromatischer, nahrhafter und haltbarer wird das Brot. Dabei wird Gluten abgebaut und Nährstoffe lösen sich. Schlussendlich landet der Teig im Ofen, wo er heiss und mit viel Dampf gebacken wird, was zu einer rustikalen Kruste mit vielen Röstaromen führt. «Ein Brot ist nur so gut, wie jeder Arbeitsschritt dahinter», fasst Patrice zusammen.
Vom Brot allein …
… kann die Bäckerei aber nicht überleben. Darum gibt Patrice in Workshops anderen Fans seine Leidenschaft weiter. «Ich habe erst während Corona mit dem Backen angefangen. Entsprechend lerne ich immer noch dazu und freue mich, wenn ich meine bisherige Erfahrung weitergeben kann. Und nicht nur das Brot tut einem gut, sondern auch die Arbeit damit – das merke ich bei mir selbst und bei den Kursteilnehmenden, die die Workshops immer ganz ausgeglichen verlassen. Der Umgang mit Sauerteig ist ein stetiges Lesen, Lernen und Anpassen.»
Essen und Trinken im Kaiserhaus
Zeitgemäss zeitlos. So lokal und fair wie möglich. Von Feldern und Betrieben, die wir kennen. Mit Kompetenz, Sorgfalt und Freude gekocht, gebacken, gemixt oder vertont. Alle Gastrobetriebe im Kaiserhaus werden nach menschlichen Kriterien geführt. Denn gutes Essen und Trinken verbindet alles.
Brasserie Kaiser: Klingt edel, sieht auch so aus. Schmeckt aber zugänglich und köstlich zu Wein und Bier. Drinnen gemütliche Polsterbänke, draussen ein lauschiger Innenhof. Ein Ort zum Treffen, ein Ort zum Rein- und Rausschauen. Mit einer Karte, die alle hungrig macht.
Kaiser Deli: Stell dir eine erweiterte Bäckerei vor: Dank eigener Backstube und Charcuterie kommt vieles hier von uns selbst oder aus der Nähe. Vielleicht ein Sandwich mit Hauswurst zum Mitnehmen? Oder etwas zum Aufwärmen Zuhause? Schauen wir mal, was es gibt.
Hof_Bar: Hier spielt die Musik – zum Beispiel über unsere eigene kleine Radiostation. Der Kaffee ist stilvoll, die Drinks sind einmalig; trotzdem ist hier nicht alles perfekt poliert, sondern vieles verspielt und aus dem Handgelenk. Hier kann man was erleben. Oder einfach etwas trinken.
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