Der vergessene Glanz
des weissen Goldes
Erlebnis-Story #01
Text: Rainer Brenner
Fotografie: Mirjam Graf & Nikolaos Zachariadis
In ihrem Projekt «Trésor des salaires» interpretierte Künstlerin Christina Helena Romirer das Konzept des Salzbarrens neu.
Unter dem Dach des Kaiserhauses ist das Thema Wert von zentraler Bedeutung. Wie sich Werte im Laufe der Zeit grundlegend verändern können, zeigt sich eindrucksvoll am Rohstoff Salz.
Im Moneyverse tauchen die Besuchenden ein ins Thema Geld und seine Geschichte. So galt das Speisesalz, welches heute auf unseren Tischen steht, zum Beispiel lange Zeit als weisses Gold. Historiker Daniel Schmutz erklärt, was es mit dem einst kostbaren Gewürz auf sich hat – und wie es dazu kam, dass es heute praktisch wertlos auf der Strasse landet.
Herr Schmutz, was hat es mit der Geschichte der Salzbarren auf sich?
Die Existenz solcher Salzbarren ist in Äthiopien seit der Spätantike belegt. Sie enthielten rund ein halbes bis ein ganzes Kilogramm Salz. Gewonnen wurden sie von den Salzseen im Nordosten von Äthiopien. Dort wurde das Salz als quaderförmige Barren aus der Salzkruste herausgesägt und zum Schutz mit Palmblättern umwickelt. Es wurde einerseits im Alltag verwendet, andererseits nutzte man die Salzbarren auch als Zahlungsmittel.
Quaderförmige Barren mit Palmblättern umwickelt: äthiopischer Salzbarren.
Salzbarren dienten also als «Geldersatz»?
In Äthiopien war das tatsächlich der Fall. Die Verwendung der Salzbarren als Zahlungsmittel reichte vom 6. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Mit der Zeit wurden die Barren aber zunehmend durch Münzen ersetzt. Global betrachtet war Salz aber keine Währung, sondern eher ein sehr wertvoller Rohstoff.
Salz wurde lange als weisses Gold bezeichnet. Wie kam es dazu?
Salz spielte immer eine wichtige Rolle in der Geschichte. Die Menschen und ihre Nutztiere brauchten es nicht nur zum Essen, sondern auch in sehr grossen Mengen zum Haltbarmachen von Nahrung, zum Beispiel Fleisch, Fisch oder Käse. Über Jahrtausende hinweg war Salz in vielen Regionen der Erde nur schwer zu beschaffen und darum äusserst wertvoll. Der Preis des Salzes schwankte dabei je nach Zustand der Handelswege und Verfügbarkeit – vergleichbar mit dem Öl im heutigen Rohstoffhandel.
Unverzichtbarer Haltbarmacher: Mit Salzlake wurden Speisen wie Fisch konserviert.
Das Salz in unserer Sprache
Egal, ob Salzburg oder gesalzene Rechnungen: Das Salz spielt bis heute eine grosse Rolle im deutschen und französischen Sprachgebrauch. So weisen Ortsnamen mit «Hall», «Salz» oder «Salins» praktisch immer auf Salzvorkommen hin. Auch der Begriff Salär (lat. salarium) leitet sich davon ab, dass bereits römische Legionäre ab und an einen Teil ihres Lohnes in Form von Salz ausbezahlt bekamen.
The Color of Money …
… Himalayasalz.
Das Moneyverse …
… ist eine Initiative der Schweizerische Nationalbank (SNB) in Zusammenarbeit mit dem Bernischen Historischen Museum. Mitten in der Stadt Bern gelegen, dreht sich im Moneyverse alles um eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheit: das Geld. Der neue Erlebnisort im Kaiserhaus leistet einen Beitrag zur ökonomischen Allgemeinbildung der Besuchenden, bietet Einblick in die Arbeit und das Mandat der SNB und greift relevante Themen rund um das Phänomen Geld auf.
moneyverse.chWarum war das Salz denn vielerorts derart knapp?
Eine einfache Gewinnung war nur für die Menschen an den Meeresküsten im Süden möglich. Dort konnte man das Meerwasser in Lagunen verdunsten lassen und kam auf diese Weise zum Salz. Im übrigen Europa wurde Steinsalz in mühsamer Bergwerksarbeit abgebaut. So entstand ein reger Handel zwischen den salzreichen Küsten- und Bergbaugebieten und den salzarmen Regionen. Für den Handel im Schweizer Mittelland waren die Salinen in der Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) lange von grosser Bedeutung, später auch das Bergwerk von Bex im Rhonetal. Die Tessiner Regionen bezogen ihr Salz hingegen eher aus dem Mittelmeerraum.
Entstand durch den Handel denn auch so was wie ein Salz-Adel?
Natürlich konnten sich durch dieses Geschäft auch einige bereichern. In der Frühen Neuzeit war das in der Schweiz zum Beispiel Kaspar Stockalper aus Brig. Er baute den Simplonpass aus und transportierte darüber wichtige Güter wie Salz. Damit kam er zu grossem Reichtum.
Wann und wie verlor das Salz in der Schweiz an Wert?
Mit der Entdeckung der Salzvorkommen in Schweizerhalle wurde es erstmals möglich, die ganze Schweiz eigenständig mit Salz zu versorgen. Die neuen Abbauverfahren wurden im 19. Jahrhundert professionalisiert und in den Rheinsalinen angewendet: Mit Bohrtürmen bohrt man tief in die unterirdischen Salzadern, pumpt mit viel Druck Wasser in den Untergrund und schwemmt die Sole an die Oberfläche. Danach wird die Sole verdampft. Das Verfahren wurde in kurzer Zeit so gut, dass man die gesamte Schweiz versorgen konnte. Dieser rasante Wandel setzte sich in Europa sehr schnell durch, und das Salz verlor ebenso rasant an Wert.
Der äthiopische Salzbarren blieb in seiner Rolle als Bezahlmittel immer eine Ausnahme. Wieso wurden nicht mehr Rohstoffe als Geld verwendet?
Eine Geldwährung sollte wertvoll, abzählbar und transportabel sein, um sich durchzusetzen. Zu seiner Zeit und in seiner Region konnte der Salzbarren diese Anforderungen einigermassen erfüllen, obwohl er relativ unhandlich war. Grundsätzlich waren die Mengen beim Salz aber viel zu gross und damit auch unpraktisch, um sich als Geld durchzusetzen – das ist bei vielen Rohstoffen so. In Krisenzeiten besinnen sich aber die Menschen immer wieder auf Rohstoffe als Wertspeicher oder Tauschmittel, seien es Silberwaren oder Zigaretten.
Heute spricht man vom Salz eigentlich nur noch, wenn im Winter das Streusalz knapp wird …
Tatsächlich ist die Versorgung der Bevölkerung mit genügend Salz kein Problem mehr. Von der Schweizer Produktion werden nur gerade zehn Prozent für die Ernährung benötigt, der Rest geht in die Industrie oder auf die Strasse. Von daher hat das Salz schon etwas von seinem Glanz als weisses Gold verloren. Immerhin gibt die Verwendung neuer Sorten in der Gastronomie, wie Fleur de Sel oder Himalayasalz, dem Salz wieder etwas von seinem Glanz zurück.
Daniel Schmutz …
… ist Kurator für Numismatik und Staatsaltertümer sowie Koordinator der historischen Sammlung am Bernischen Historischen Museum, wo er seit 26 Jahren arbeitet. Er betreut unter anderem die Münzsammlung mit rund 65 000 Münzen aus der ganzen Welt, von der Antike bis heute.
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